64 Preußens Niedergang und Erhebung
So zeigte sich überall echt oaterlänbifcher Ginn, und in Tausenden reifte der Entschluß kühnen Wagens und opferbereiter Hingabe für König und Vaterlanb.
Iv. Preußens Erhebung.
1. Der Anfang der Erhebung. Im Sommer des Jahres 1812 war Napoleon mit einem ungeheuren Heer von mehr als einer Halben Mflltöif “Streitern gegen Ruklanb gezogen, um auch das große russische Reich zu unterwerfen. Aber bort ereilte ihn das Schicksal. Seine ,,Große Armee" würde vollstänbig vernichtet; nur 90 000 Mann kehrten zur kalten Winterszeit unter unsäglichen Mühen und Leiben in die Heimat zurück.
Die 5hmbe von biefem Ereignis bewegte ganz Europa; benn jetzt schien für die unterbrückten Völker die Stunbe gekommen zu sein, das verhaßte Joch der Franzosenherrschaft abzuwerfen. Den ängstlichen Gemütern aber war es noch zweifelhaft, ob die günstige Gelegenheit auch mit Erfolg benutzt werben könnte. Noch stauben alle Rheinbunbfürsten auf Napoleons Seite; er selber war schon roieber in Paris und konnte bort leicht eine Armee gesammelt haben, ehe noch ein Versuch zur Befreiung gemacht worben war. Da gab der preußische General von 2) ork den Anstoß zur Erhebung des Volkes. Preußen hatte dem Kaiser Napoleon zu seinem Zuge nach Rutzlanb ein Hilfsheer von 20 000 Mann stellen müssen; den Oberbefehl führte der General von ?)orf. Als er die Nachricht von dem Untergänge der französischen Hauptarmee erhielt, schloß er auf eigene Gefahr mit dem russischen General Diebitsch einen Vertrag, in welchem er sich verpflichtete, alle Feinbseligkeiten mit Rußlanb einzustellen, wofür ihm freier Rückzug nach Preußen zugesichert würde. Zugleich schrieb er an seinen König: ,,Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte. Jetzt ober nie ist der Zeitpunkt gekommen, wo Ew. Majestät sich von den übermütigen Forberungen Ihres Verbünbeten losreißen können."
9)orks felbstänbiges Vorgehen mußte freilich von der preußischen Regierung öffentlich getabelt toerben; benn noch hatten die Ober-festungen und die großen Städte, auch Berlin, französische Besatzung. Darum würde 9)ork abgesetzt; aber der Abjutant, der ihm biesen Befehl überbringen sollte, würde von den Russen abgefangen und festgehalten, und Pork, der so keine Nachricht erhielt, blieb auf seinem Posten.
Nun rückten die preußischen Truppen unter Pork in O st-preußen ein; auch der bisher verbannt gewesene Freiherr von
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleons Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Europa Napoleons Paris Berlin
Der Krieg gegen Dänemark 1864. 93
b) Der Verlauf des Krieges. An der Spitze der preußischen Truppen stand der Prinz Friedrich Karl, ein Neffe Röntg Wilhelms, das österreichische Armeekorps befehligte der Feldmarschall von Eablenz, den Oberbefehl über beide hatte der greise preußische Feldmarschall von Wrängel.
Die Dänen hatten am Daneroerf, d. i. ein starkes Befestigungswerk von 15 km Länge an der Schlei, Stellung genommen. Das preußische Korps versuchte vergeblich bei Missunde die Schlei zu überschreiten, während die Österreicher geradeaus gegen das Dane-werk vorrückten und einige vor den Schanzen liegende Werke nahmen. Da aber die Dänen fürchteten, die weit ausgedehnte Stellung doch nicht halten zu können, zogen sie sich heimlich in einer stürmischen Nacht zurück, um hinter den ,,Düppler Schanzen" Schutz zu suchen.
Das österreichische Korps und die preußische Garde zogen weiter nach Norden bis nach Jütland hinein, während dem preußischen Armeekorps unter dem Prinzen Friedrich Karl die schwere Aufgabe zufiel, die zehn starken Düppler Schanzen zu erobern. Diese Befestigungswerke lagen auf der kleinen Halbinsel Sundewitt, der Insel Alsen gegenüber. Es waren gewaltige Schanzen, welche die Dänen hier auf einer etwa 70 m hohen Hügelkette errichtet hatten. Erschwert wurde die Annäherung noch durch verschiedene Hindernisse: Fußangeln, umgekehrte Eggen, Gräben, Pallisaden mit haarscharf geschliffenen Schwertern und stachelige Drahtzäune. Von der Seeseite wurden die Schanzen durch die Kanonen der Kriegsschiffe geschützt. Prinz Friedrich Karl schritt zu einer regelrechten Belagerung. Wochenlang wurden die Schanzen beschossen, und in Laufgräben suchten die Preußen sich ihnen zu nähern. Endlich wurde der 18. April für die Erstürmung der Schanzen angesetzt. Um 4 Uhr morgens begann eine fürchterliche Beschießung aus allen Batterien, während sich die Fußmannschaften in den Laufgräben zum Sturm vorbereiteten. Um 10 Uhr schwiegen die Kanonen, und ein schmetterndes Hornsignal gab das Zeichen zum Sturm. Die Tambours schlagen an, die Musik spielt den Düppler Sturmmarsch, und mit tausendstimmigem Hurra geht es gegen die Schanzen vor. Die Pioniere beseitigen die Hindernisse, sprengen mit Pulversäcken die Pallisaden, durchschneiden die Drahtzäune, überdecken die Eggenreihen mit Sandsäcken, und das alles unter dem heftigsten Kartätschenfeuer der Dänen. Endlich sind die Stürmer oben; mit Kolben und Bajonett wird der letzte Widerstand gebrochen, und um 12 Uhr sind sämtliche 10 Schanzen im Besitz der Preußen.
Das war die herrlichste Ehrentat der preußischen Waffen in diesem Kriege; ganz Deutschland jubelte, das Ausland staunte. König
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Karl Friedrich Karl Röntg_Wilhelms Wilhelms Friedrich_Karl Friedrich Karl Friedrich_Karl Friedrich Karl
100 Die deutsche Einigung unter Preußens Führung
steilen Höhen bei Spichern, südlich von Saarbrücken, und trieben die Franzosen zurück, die ihre Stellung für uneinnehmbar gehalten hatten.
Der Jubel in Deutschland über diese schnellen Siege war groß; sie hatten die Gefahr eines feindlichen Einbruchs in deutsche Lande abgewendet und den Mut der deutschen Truppen und die Begeisterung des Volkes bedeutend gesteigert.
d) Die deutschen Siege bei Metz. Der Marschall Ba-zaine hatte sich mit der Hauptarmee bis in die Gegend von Metz zurückgezogen. Er wollte sich in Chalons mit den übrigen französischen Streitkräften vereinigen, auf Paris zurückgehen und hier erst die Entscheidung herbeiführen. Zu diesem Zwecke aber mußte er so schnell als möglich die Mosel überschreiten und Chalons zu gewinnen suchen. Die Ausführung dieses Planes vereitelten die drei großen Schlachten vor Metz vom 14.—18. August.
Am 14. August griff Steinmetz mit der I. Armee den abziehenden Feind bei Lolombey östlich von Metz an und warf ihn nach heftigem Widerstande in die Festung Metz zurück; durch dies Treffen verzögerte sich der Abmarsch Bazaines nach Westen. Prinz Friedrich Karl war während der Zeit in Eilmärschen mit seiner Ii. Armee südlich von Metz über die Mosel gegangen und traf am 16. August schon westlich von Metz auf die zurückmarschierende Armee Bazaines. Hier entwickelte sich bei den Dörfern Vionville und Mars la Tour ein gewaltiges Ringen. Zwölf Stunden lang mutzten die deutschen Truppen gegen eine Übermacht standhalten, bis ihnen das hannoversche Korps zu Hilfe kam. Die Franzosen zogen sich aus Metz zurück; der gerade Weg nach Westen war ihnen verlegt. Noch einmal wollte Bazaine den Durchbruch versuchen. Er hatte eine neue und sehr feste Stellung westlich von Metz auf einem Höhenrande zwischen Gravelotte und St. Privat eingenommen. Von hier aus gedachte er den angreifenden Gegner zu zerschmettern oder wenigstens ihn so zu schwächen, daß er ihm den Weg nicht weiter versperren könnte. Am 18. August griff hier die I. und Ii. deutsche Armee unter dem Oberbefehl König Wilhelms die Franzosen an. Die größte und blutigste Schlacht des ganzen Krieges entspann sich. Lange schwankte das Kriegsglück. Als dann aber die Sachsen und die preußische Garde St. Privat mit Sturm genommen hatten und das pommersche Armeekorps, das bereits seit 2 Uhr morgens auf dem Marsch gewesen war, in die Schlacht ein-griff, mußten die Franzosen weichen, und spät abends konnte Moltke seinem Könige die Meldung bringen: ,,Majestät, der Sieg ist unser; der Feind ist auf allen Punkten geschlagen."
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
29. Die Fahne der Einundsechziger.
57
Der Alle von Kaprera ließ sich blenden,
Hielt die Brigade für die ganze Macht
Und nachmittags begann die Schlacht,
Die, ach! für uns so traurig sollte enden.
Die Einundzwanzcher auf dem rechten Flügel
Des ersten Treffens hatten schwer Gefecht,
Wir also vor! und gerade recht,
Mit „Hurra!" uahmen wir die Hügel;
Dem Feinde auf der Ferse ging's verwegen
Bis in die Vorstadt Dijons jetzt hinein,
Hier aber aus der Häuser Reih'n
Kam mörderisches Feuer uns entgegen.
Jnr Steinbruch, mit dem Bajvuett genommen,
Da fanden wir vor eines Ausfalls Wucht,
Zum Sammeln durch die steile Schlucht
Gedeckt, notdürftig Unterkommen,
Doch die Fabrik dort in der rechten Flanke
Wie eine Festung auf uns Feuer spie.
„Vorwärts! die fünfte Kompagnie
Zum Sturm auf die Fabrik und keiner wanke!"
Der Tambour schlügt, es geht wie zur Parade.
Die Fahne fliegt uns hoch und stolz voran,
Doch klopft das Herz manch treuem Mann
Beim raschen Schritt auf diesem Pfade.
Wie Salven rollt und pfeift es in die Glieder,
Es rast der Schnitter Tod und fällt und mäht,
Und wie er seine Reihen sät,
Da sinkt die Fahne und ihr Träger nieder.
Aus dem Gedrüug' du Offizier sie rettet,
„Mir nach!" so ruft er und stürmt kühn voraus,
Doch aus dem unglückseligen Haus
Grüßt ihn der Tod, der eilig bettet.
Selbst blutend, springt der Adjutant vom Pferde,
Erfaßt die Fahne, schwingt sie hoch empor,
Da deckt sein Auge dunkler Flor
Und sterbend küßt sein bleicher Mund die Erde.
Was fällt, das fällt! vorwärts! durch Tod und Flammen
Zwei brave Musketiere greifen zu,
Der eine stürzt: „Versuch es bu\“
Doch auch der andre bricht zusammen.
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
196 98. Pfadfinder beim Feldmarschall Grafen Haeseler.
Feinde trafen, stand die Nordabteilnng im Süd und die Südabteilung
im Nord.
Dann setzte der Feldmarschall noch eine hübsche Übung an, die
lvir allen Feldmeistern und Kornetts empfehlen möchten. Er ließ
15 Jungens in Abständen von je 50 Schritt aufstellen und durch
diese lange Kette eine mündliche Meldung weitergeben. Es ist
erstaunlich, wie rasch eine mündlich weitergegebene Meldung ihren
Charakter verändert. „Ein Luftballon mit 5 Insassen ist gesehen
worden," lautet der Text, und was schließlich ankommt, lautet etwa:
„Eine feindliche Armee von 100 000 Mann fliegt mit Zweideckern
von Norden heran." Die Meldung geht eben nicht nur über die
sichtbare Strecke sondern außerdem noch vom Ohr zum Munde
jedes einzelnen und beim Durchschlüpfen durch die unendlich vielen
Gehirnwindungen bleibt sehr leicht etwas hängen oder die Göttin
Phantasie fügt etwas hinzu. Man versuche die Sache, sie ist köstlich
und lehrreich und gewöhnt die Jungens Gehörtes ohne Über-
treibung weiterzugeben. Im vorliegenden Falle führte die Übung
zu einer niedlichen Leistung im Verschlucken von Silben. Die Mel-
dung lautete nämlich:
„Eine Eskadron, ein Bataillon, 2 Geschütze sind im Anmarsch
von usw. . . ."
Atemlos kam der Zwölfte in der Reihe zum Dreizehnten ge-
stürzt und stammelte seine Meldung: „Ein Eßbataillon, 2 Ge-
schütze."
Daneben stand gerade der Feldmarschall: „Nanu mein Junge,"
fragte er, „was ist denn das, ein Eßbataillon?"
„Ein Eßbataillon?" — Der Pfadfinder war offenbar erstaunt,
daß der Feldmarschall so tat, als ob er das nicht wüßte, — „ein
Eßbataillon, das ist doch ein Bataillon, das abkocht!" —
Von da ab herrschte eine sehr vergnügte Stimmung. —
Und nun die Kritik. Der Feldmarschall hob hervor, daß ihm
die ganze Art der Ausbildung sehr gefallen habe. Wenn Fehler vor-
gekommen seien, so wären sie das beste Mittel um dadurch zu lernen.
Vor allem sei der frische Ton zu loben, die Lust und Liebe, die alle
gezeigt hätten, und die gute Disziplin, obwohl kein militärischer
Drill getrieben werde. Dann folgte eine sehr eingehende Besprechung
der Übung, und als Seine Exzellenz schließlich betonte, der Mensch
müsse auch sich daran gewöhnen gelegentlich einmal hungern zu
können, — da lächelte so mancher, der sich gerade allzusehr mit
seinem knurrenden Magen — es war 1 Uhr und längst Mittagszeit!
— beschäftigt hatte.
Doch dann kam der Befehl zum Abkochen. Die Holzstapel
am Rande des großen Lagerplatzes hatten nichts zu lachen. Hundert
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
r
290
schiebemassen tut. Dagegen wurde der Lößboden, dem die Rhein-
ebene ihre große Fruchtbarkeit verdankt, während oder kurz nach der
Eiszeit durch Landstürme hereingeweht und abgesetzt.
Rugust Decker weist in seinen „wasgaubildern" daraus hin, daß
merkwürdigerweise eine alte volkssage erzählt, die Oberrheinische Tief-
ebene sei ehedem ein Lee gewesen, und daß das Volk jetzt noch die
rätselhaften ehernen Ringe an den höchsten Vogesenselsen des Tännchels
und Gdilienbergs als Lchiffsringe*) bezeichnet. Dieser Lee der volks-
sage hat mit dem wissenschaftlich erst neuerdings nachgewiesenen Rhein-
talsee, der vor der Eiszeit vorhanden war, wohl nichts zu tun. viel-
leicht liegt hier eine reine Lage vor, deren Entstehung auf die all-
seitige Gebirgsumrandung der Ebene zurückzuführen ist. Möglicher-
weise aber bezieht sich die volkssage von dem Rheintal-Lee auf
die fließenden Gewässer der Eiszeit und dann könnte sich eine dunkle
Runde der damaligen Raturverhältnisse von der ältesten Bevölkerung
der Gegend bis auf die heutigen Geschlechter vererbt haben, während
der Eiszeit tauchten nämlich die ersten Bewohner der Rheinebene auf.
wer aber kennt alle die Fäden, die das Menschengeschlecht von Volk
zu Volk und von Geschlecht zu Geschlecht oft so geheimnisvoll ver-
knüpfen?
Dr. Klbert Attensperger.
146. Im Weingebiet der Vorderpfalz.
3u den fruchtbarsten und bevölkertsten Gegenden unseres deutschen Vater-
landes gehört die Oberrheinische Tiefebene, die sich in einer Breite
von 30—45 Kilometer von Basel bis Mainz erstreckt, durchflutet von
dem Silberstrom des herrlichen Rheines, umgeben im Osten und Westen
von dem schützenden Wall reizender Mittelgebirge.
Soweit diese Tiefebene zum bayerischen Kreise Pfalz gehört, wird
sie in ihrem östlichen Ende von dem befruchtenden Rheinstrome, im
Westen von den burgenreichen Höhen des Wasgaues, der Haardt und dem
nordpfälzischen Berglande mit der Porphyrkuppe des massigen Donners-
berges begrenzt.
Dieses Gebiet ist ein Landstrich, wie ihn kaum schöner die Sonne
in ihrem Lause begrüßt, ein Landstrich, über den die gütige Natur das
Füllhorn reichster Segnungen ausgegossen hat.
„Da lieget ausgebreitet in stets verjüngter Pracht
Ein weiter Gottesgarten, vom Himmel reich bedacht;
Was nur das Herz ergötzet, was nur den Blick erfreut,
Das findest du hier alles in Fülle ausgestreut,"
*) Kelten und Germanen sollen bisweilen ihre Gpferstätten mit Ketten
umgeben und letztere durch solche Ringe hindurchgezogen haben.
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325
befreiten treuen Stadt auf den Händen getragen wurden und dann bei Becher-
klang und vaterländischen Gesängen nach altem Burschenbrauche die Nacht
verbrachten. Dem Rausche der jugendlichen Lust folgte die ernste Arbeit,
die blutigste des ganzen Krieges; denn wieder fiel dem Jorckschen Korps
die schwerste Aufgabe zu. Als Jorck am Morgen des 16. in Schkeuditz
unter seinen Fenstern zum Aufsitzen blasen hörte, da hob er sein Glas und
sprach den Kernspruch seines lieben Paul Gerhardt: „Den Anfang, Mitt'
und Ende, Herr Gott, zum besten wende!* Wohl mochte er sich einer
höheren Hand empfehlen; denn unangreifbar, wie bei Wartenburg, schien
wieder die Stellung des Feindes. Marmont lehnte sich mit seiner linken
Flanke bei Möckern an den steilen Talrand der Elster, hatte die Mauern
des Dorfes zur Verteidigung eingerichtet, weiter rechts auf den flachen
Höhen eine Batterie von 80 Geschützen aufgefahren. Gegen diese kleine
Festung stürmten die Preußen heran auf der sanft ansteigenden, baumlosen
Ebene; sechsmal drangen sie in das Dorf und verloren es wieder. Endlich
führte Jorck selber seine Reiterei zum Angriff gegen die Höhen unter dem
Rufe: „Marsch, marsch, es lebe der König!" Nach einem wütenden Häuser-
kampfe schlägt das Fußvolk den Feind aus dem Dorfe heraus; am Abend
muß Marmont gegen die Stadt zurückweichen, 53 Kanonen in den Händen
der Preußen laffen, und an den Wachtfeuern der Sieger ertönt das Lied:
„Herr Gott, dich loben wir", wie in der Winternacht von Leuthen. Aber
welch ein Anblick am nächsten Morgen, als die Truppen zum Sonntags-
gottesdienst zusammentraten! Achtundzwanzig Kommandeure und Stabs-
offiziere lagen tot oder verwundet; von feinen 12 000 Mann Infanterie
hatte Dorck kaum 9000 mehr, seine Landwehr war im August mit
13 000 Mann ins Feld gezogen und zählte jetzt noch 2000. So waren
an dieser einen Stelle die Verbündeten bis auf eine kleine Stunde an die
Tore von Leipzig herangelangt.
Im Südosten, auf dem Hauptschauplatze des Kampfes, bei Wachau,
fochten die Verbündeten nicht glücklich. Hier hatte zwei Tage vorher ein
großartiges Vorspiel der Völkerschlacht sich abgespielt, ein gewaltiges
Reitergefecht, wobei König Murat nur mit Not dem Säbel eines Leutnants
von den Neumärkischen Dragonern entgangen war. Heute hielt Napoleon
selber mit der Garde und dem Kerne seines Heeres die dritthalb Stunden
lange Linie von Dölitz bis Seifertshain besetzt, durch Zahl und Stellung
den Verbündeten überlegen, 121000 gegen 113 000 Mann. Auf ihrem
linken Flügel vermochten die Verbündeten, eingeklemmt in dem buschigen
Gelände, ihre Macht nicht zu gebrauchen. General Merveldt geriet mit
einem Teile seines Korps in Gefangenschaft; mtt Mühe wurden die
Reserven dieser Österreicher aus den Auen über die Pleiße rechtsab auf
die offene Ebene hinaufgezogen. Es war die höchste Zeit; denn hier im
Zentrum konnten Kleists Preußen und die Ruffen des Prinzen Eugen
sich auf die Dauer nicht behaupten in dem verzweifelten Ringen gegen
die erdrückende Übermacht, die unter dem Schutze von 300 Geschützen
ihre Schläge führte. Die volle Hälfte dieser Helden von Kulm lag auf
dem Schlachtfelde. Schon glaubt Napoleon die Schlacht gewonnen, befiehlt
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Extrahierte Personennamen: Paul_Gerhardt Gott Marmont August Napoleon Merveldt Eugen Napoleon
326
in der Stadt Sieg zu läuten, sendet Siegesboten an seinen Vasallen
König Friedrich August, der in Leipzig der Entscheidung harrt. „Noch
dreht sich die Welt um uns!" ruft er frohlockend aus. Ein letzter zer-
schmetternder Angriff der gesamten Reiterei soll das Zentrum durchbrechen.
Noch einmal dröhnt die Erde von dem Feuer der 300 Geschütze, dann
rasen 9000 Reiter in geschloffener Masse über das Blachfeld dahin, ein
undurchdringliches Dickicht von Rossen, Helmen, Lanzen und Schwertern.
Da kommen die österreichischen Reserven aus der Aue heran, und während
die Reitermaffen, atemlos von dem tollen Ritt, allmählich zurückgedrängt
werden, setzen sich die Verbündeten nochmals in den verlorenen Dörfern
fest, und am Abend behaupten sie fast wieder dieselbe Stellung wie am
Morgen. Schwarzenbergs Angriff war gescheitert, doch der Sieger hatte
nicht einmal den Besitz des Schlachtfeldes gewonnen.
Trat Napoleon jetzt den Rückzug an, so konnte er sein Heer in guter
Ordnung zum Rheine führen; denn die schlesische Armee, die einzige
Siegerin des ersten Schlachttages, stand von der Frankfurter Straße noch
weit entfernt und war überdies schwer erschöpft von dem verlustreichen
Kampfe. Aber der Liebling des Glücks vermochte das Unglück nicht zu
ertragen. Sein Hochmut wollte sich den ganzen Ernst der Lage nicht
eingestehen, wollte nicht lassen von unmöglichen Hoffnungen. Der Kaiser
tat das Verderblichste, was er wählen konnte, versuchte durch den
gefangenen Merveldt Unterhandlungen mit seinem Schwiegervater anzu-
knüpfen und gewährte also den Verbündeten die Frist, ihre gesammelten
Streitmassen heranzuziehen. Am 17. Oktober ruhten die Waffen; nur
Blücher konnte sich die Lust des Kampfes nicht versagen und drängte die
Franzosen bis dicht an die Nordseitc der Stadt zurück.
Ii.
Am 18. früh hatte Napoleon seine Armee näher an Leipzig heran-
genommen, ihr Halbkreis war nur noch etwa eine Stunde von den Toren
der Stadt entfernt. Gegen diese 160 000 Mann rückten 255 000 Ver-
bündete heran. Mehr als einen geordneten Rückzug konnte der Kaiser
nicht mehr erkämpfen; er aber hoffte noch auf Sieg, wies den Gedanken
an eine Niederlage gewaltsam von sich, versäumte alles, was den schwierigen
Rückmarsch über die Elster erleichtern konnte.
Die Natur der Dinge führte endlich den Ausgang herbei, den
Gneisenaus Scharfblick von vornherein als den einzig möglichen ange-
sehen hatte: die Entscheidung fiel auf dem rechten Flügel der Verbündeten.
Napoleon übersah von der Höhe des Tonbergs, wie die Österreicher auf
dem linken Flügel der Verbündeten abermals mit geringerem Glück den
Kampf um die Dörfer an der Pleiße eröffneten, wie dann das Zentrum
der Verbündeten über das Schlachtfeld von Wachau herankam. Es
waren die kampferprobten Scharen Kleists und des Prinzen Eugen; über
die unbcstatteten Leichen der zwei Tage zuvor gefallenen Kameraden
ging der Heerzug hinweg. Vor der Front der Angreifer lagen langhin-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_August Friedrich August Napoleon Ernst Napoleon Napoleon Eugen
306
134. Nur ein Schafhirt.
Es war am 12. Oktober 1806. Vor zwei Tagen hatte das Gefecht
bei Saalfeld stattgefunden, in welchem der Prinz Louis Ferdinand gefallen
war. Nun standen die Hauptarmeen der beiden Gegner, Preußen und
Franzosen, sich nahe gegenüber. Nur noch zwei Tage, und die unglück-
liche Schlacht bei Jena und Auerstädt sollte geschlagen werden.
Ein preußisches Armeekorps unter dem Fürsten Hohenlohe, etwa
40000 Mann stark, hatte rechts von der Straße, die von Jena nach
Weimar führt, zwischen den beiden Flüssen Ilm und Saale Aufstellung
genommen. Seine Vorposten befanden sich auf dem Landgrafenberge,
einem steilen Berge, der zwischen diesen Truppen und der Stadt
Jena lag. Von dem Gipfel dieses Berges konnte man das preußische
Heer ganz und gar übersehen, und über ihn führte der einzige Weg, um
es von vorn anzugreifen. Die preußische Hauptarmee stand unter
dem Kommando des Herzogs von Braunschweig. Sie war über 65000 Mann
stark und hatte sich eine Stunde weiter nach Weimar zu aufgestellt. Die
Preußen waren mit gutem Mut, ja mit Übermut in den Kampf gezogen.
Schon wurden die Vorbereitungen zu der großen Schlacht getroffen, die
in zwei Tagen geschlagen werden sollte. Es lag wie eine schwere, drückende
Gewitterschwüle auf der ganzen Gegend. Alle Dörfer ringsum waren
bereits von den Feinden geplündert, und viele von ihren Einwohnern
hatten sich mit einem Teil ihrer Habe und ihres Viehes auf die bewaldeten
Höhen jenseits der Saale geflüchtet.
An einem Bergabhange des linken Saaleufers stand am Nachmittage
des 12. Oktobers ein Mann, der, auf einen Stab gestützt, in das Tal
hinabschaute, durch welches die Straße von Jena nach Naumburg sich
hindurchzieht. Unten war ein buntes, wirres Leben. Soldaten, Pferde,
Wagen drängten einander. Der Mann im blauen, langen Rocke, mit
breitkrempigem, schwarzem Hute und langer Weste war der Schafhirt.
Starr und gedankenvoll ruhte sein Auge auf diesem Treiben. Nur zu-
weilen warf er einen Blick auf die vier oder fünf Schafe neben sich,
und dann zuckte um seinen Mund ein trauriges Lächeln. Noch vor
kurzer Zeit hatte er hier für seinen Herrn eine zahlreiche Herde geweidet.
Diese wenigen Tiere waren alles, was ihm davon übrig geblieben war.
Sie gehörten ihm, und er hatte sich mit ihnen hierher geflüchtet. Der
Abhang des Berges war steil, und er durfte hoffen, daß die Feinde
nicht auf den Berg kommen würden. In dem Dorfe dort unten im
Tale besaß der Schäfer ein Haus. Die Franzosen hatten sich in
diesem einquartiert und ihn daraus vertrieben. Alle Vorräte, die er für
seine Familie und seine Tiere zum Winter gesammelt hatte, waren ihm
genommen worden. Was sollte er nun noch da unten im Dorfe? Er
mochte das Treiben der übermütigen Feinde nicht in der Nähe ansehen.
Seine beiden Söhne standen drüben in dem preußischen Heere, und zu
ihnen eilten seine Gedanken. Wenn er jünger gewesen wäre, er hätte
gern die Waffen zur Hand genommen, um die Frechheit der übermütigen
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TM Hauptwörter (100): [T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer]]
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Extrahierte Personennamen: Louis_Ferdinand Ferdinand
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Palisaden starren die Stürmenden an,
sie stutzen; wer ist der rechte Mann?
Da springt von achten einer vor:
„Ich heiße Klinke, ich öffne das Tor!" —
Und er reißt von der Schulter den Pulversack,
Schwamm drauf, als wär's eine Pfeife Tabak.
Ein Blitz, ein Krach, — der Weg ist frei;
Gott seiner Seele gnädig sei!
Gottlob, solchen Klinken für und für
öffnet Gott selber die Himmelstür.
Sieg donnert's. Weinend die Sieger stehn.
Da steigt es herauf aus dem Schlamm der Trancheen;
dreihundert find es, dreihundert Mann,
wer anders als Piefke führte sie an!
Sie spielen und blasen, das ist eine Lust;
mitblasen die Herzen aus voller Brust;
Klarinett' und Trompete, Hoboe und Fagott,
sie spielen: „Nun danket alle Gott!"
Und das ganze Heer, es stimmt mit ein,
und drüber Lerchen und Sonnenschein.
Von Schanze eins bis Schanze sechs
fft alles dein, Wilhelmus Rex;
von Schanze eins bis Schanze zehn,
König Wilhelm, deine Banner wehn.
Gruß euch, ihr Schanzen am Alseuer Sund!
Ihr machet das Herz uns wieder gesund, —
und durch die Lande draußen und daheim
fliegt wieder hin ein süßer Reim:
„Die Preußen sind die alten noch!
Der Tag von Düppel lebe hoch!"
Theodor Fontane.
145. Königgrätz und Sedan.
L
Über die Schlacht bei Königgrätz schrieb König Wilhelm an seine
Gemahlin:
„Horbitz, den 4. Juli 1866.
. . . Die Infanterie ging bis zum Talrande der Elbe vor, wo
jenseits dieses Flusses noch heftiges Granatfeuer erfolgte, in das ich auch
geriet, aus dem mich Bismarck ernstlich entfernte. Ich ritt aber nun
noch immer umher, um noch ungesehene Truppen zu begrüßen. Alle diese
Wiedersehen waren unbeschreiblich, Steinmetz und Herwarth fand ich nicht.
Wie sah das Schlachtfeld aus! Wir zählten 35 Kanonen; es scheinen
über 56 genommen zu sein, auch mehrere Fahnen. Alles lag voller Ge-
wehrs, Tornister, Patronentaschen; wir rechnen bis heute 12000 Gefangene;
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
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Extrahierte Personennamen: König_Wilhelm Wilhelm Theodor_Fontane Wilhelm Herwarth